Der Erbverzichtsvertrag – zu Lebzeiten vererben, ohne zu sterben

Es liegt in der Natur des Menschen, sich ungern mit der eigenen Endlichkeit auseinanderzusetzen. Themen wie unheilbare Krankheiten, schwerer Unfall und allen voran das Tabuthema Tod werden verdrängt und sind dennoch allgegenwärtig. Sicherlich ist mit der Revision des Schweizer Erbrechts, welches seit diesem Jahr in Kraft getreten ist, die Nachlassplanung wieder etwas in den Fokus geraten. Der neue Handlungsspielraum dürfte Personen verstärkt motivieren sich intensiver zu überlegen, was im Todesfall mit dem Hab & Gut geschehen soll. Wie man sich selbst, den oder die geliebten Partner/-in und die Nachkommen besser schützen kann und das Vermögen den Erben gerecht verteilt. Nebst der letztwilligen Verfügung (Testament) stehen diesbezüglich auch das Verfassen eines Ehevertrags und/oder eines Erbvertrages zur Auswahl, die je nach Ausgangslage und individuellen Wünschen, die Umsetzung des eigenen Nachlasses zusätzlich gewährleisten.

Hierzulande bietet sich auch die Ausgestaltung eines Erbverzichtsvertrages an. Erfahren Sie mehr über die formalen Kriterien, den Sinn & Zweck, die Vorteile eines Erbverzichts aber auch über gewisse Risiken, die im Zusammenhang mit einem Erbverzicht entstehen können.

 

Der Erbverzicht: gesetzliche Grundlagen

Bei einem Erbverzicht in der Schweiz verzichtet ein pflichtteilsgeschützte/r Erbe / eine Erbin bereits zu Lebzeiten endgültig oder vorübergehend auf den Erbteil. Dies kann mithilfe eines Erbverzichtsvertrags oder einer Erbverzichtserklärung erfolgen. Beinhaltet der Vertrag keine anderen Bestimmungen, fällt nicht nur der/die Verzichtende selbst beim Erbgang als Erbe ausser Betracht, sondern auch dessen/deren Nachkommen

Es wird in der Schweiz zwischen einem Erbverzicht und einem Erbauskauf unterschieden.

a) ein normaler Erbverzicht zu Lebzeiten erfolgt gänzlich unentgeltlich, der verzichtende Erbe erhält nichts.

=> Beispiel: oft verzichten die Kinder auf ihren Erbteil beim Tod des ersten Elternteils und erben erst, wenn auch der zweite Elternteil verstorben ist. So können die Eheleute verhindern, dass der überlebende Elternteil die Kinder auszahlen muss und dadurch in finanzielle Schwierigkeiten gerät.

b) ein Erbauskauf ist ein Verzicht auf das Erbe zu Lebzeiten, gegen eine Abfindung, sprich eine Gegenleistung.

=> Beispiel: Dieses Vorgehen ermöglicht es dem Erblasser, den Nachlass besser zu planen, und gibt gleichzeitig dem Erben die Gelegenheit, lange vor dem Tod des Erblassers zu finanziellen Mitteln zu kommen.

Das Schweizer Zivilgesetzbuch regelt den Erbverzicht dabei unter Art. 495-497 ZGB.

Ein Verzicht muss grundsätzlich zu Lebzeiten des Erblassers erfolgen. Wenn der Erbfall bereits eingetreten ist, kann ein Erbe oder Erbin immer noch auf sein Erbe verzichten. In diesem Fall spricht man von einer Erbausschlagung.

Ein Verzicht auf das Erbe ist an bestimmte Voraussetzungen geknüpft. Zum einen muss der Erbverzicht mit Hilfe eines Erbvertrags öffentlich beurkundet werden. Und zum anderen müssen zwei Zeugen anwesend sein. Eine Aufhebung oder eine Änderung des Erbvertrags /Erbverzichtsvertrags ist dann nur noch einvernehmlich möglich, d.h.es erfordert die Zustimmung aller Parteien. Es gelten dieselben Formerfordernisse wie für die erstmalige Errichtung.

 

Gründe und Vorteile eines Erbverzichtsvertrages

Die Gründe für die Ausgestaltung eines Erbverzichtsvertrages gestalten sich vielfältig und entsprechend sind die Vorteile:

=> Finanzielle gegenseitige Absicherung der Eheleute mit Nachkommen

Um den Ehepartner finanziell abzusichern, besteht die Möglichkeit, dass die Nachkommen auf das Erbe verzichten.  Der Verzicht zugunsten eines Elternteils bedeutet, dass die Kinder beim Tod des ersten Elternteils keinen Anspruch auf ihren Pflichtteil haben. Gerade für Eheleute, deren Nachlass hauptsächlich aus einem Eigenheim besteht und die finanziellen Reserven eher knapp bemessen sind, kann im Todesfall des Ehepartners, die Auszahlung des Pflichtteils an die Kinder zu finanziellen Engpässen führen. Ja sogar ein Zwangsverkauf ist nicht auszuschliessen. Im Erbverzichtsvertrag kann also festgehalten werden, dass die Nachkommen ihren Pflichtteil erst dann erhalten, wenn beide Elternteile verstorben sind.

 

=> Finanzierung des Wohneigentums der Kinder durch die Eltern

Wohneigentum zu erwerben wird in der Schweiz immer schwieriger. Einerseits sind die Preise während den letzten Jahren in utopische Höhen geschossen und auch die Hypotheken sind teurer geworden. Andererseits hält sich die Auswahl an interessanten Objekten in Grenzen. Für junge Menschen wird der Erwerb einer Wohnung oder eines Hauses zum Griff nach den Sternen. Oftmals unterstützen die Eltern noch zu Lebzeiten ihre Nachkommen mit einem finanziellen Zuschuss, damit der Wunsch des eigenen Daheims in Erfüllung geht.


Es gibt verschiedene Möglichkeiten, den Kindern bereits zu Lebzeiten einen Teil ihres Erbes auszuzahlen. Beispielsweise kann man hier statt eines Erbvorbezugs auf eine Schenkung zurückgreifen.

Unabhängig davon, für welche Form sich Eltern, Alleinstehende mit Kindern entscheiden, die Möglichkeiten müssen vorab mit einem Experten / einer Expertin geprüft werden. Dabei dürfen auch die Aspekte der kantonal geregelten Schenkungssteuer oder der Erbschaftssteuer nicht ausser Acht gelassen werden. Daher ist es essenziell gemeinsam mit Fachleuten eine Nachlassplanung vorzunehmen.

=> Patchworkfamilien – sich selbst, den oder die Partner/-in absichern und die Nachkommen ….

In Patchworkfamilien kann es sein, dass die Nachkommen aus verschiedenen Familien stammen aber auch, dass gemeinsame Nachkommen vorhanden sind. Nebst einem Ehe- und Erbvertrag ist e sauch hier sinnvoll, als Eltern/Elternteile sich gegenseitig abzusichern, und umallfällige Streitigkeiten zu vermeiden, mit den Nachkommen zusätzlich einen Erbverzichtsvertrag abzuschliessen.

=> Konkubinatspaare – deren Eltern verzichten – vorausgesetzt, dass keine Nachkommen vorhanden sind

Das revidierte Erbrecht beinhaltet keinen gesetzlichen Anspruch für Paare, die im Konkubinat leben. Dennoch - durch den Ausfall der Pflichtteile der Eltern und durch die Reduktion der Pflichtteile der Nachkommen ist es den Konkubinatspaaren möglich, sich gegenseitig besser zu begünstigen. Diese Begünstigungen von Konkubinatspartnern müssen weiterhin testamentarisch oder erbvertraglich geregelt werden. Ausserdem können die Eltern eines Konkubinatspartners oder der beiden Konkubinatspartner einen Erbverzichtsvertrag unterzeichnen, damit deren elterliche Pflichtteil von 50% (vorausgesetzt, dass keine Nachkommen der Kinder vorhanden sind) entfällt. Somit kann sichergestellt werden, dass im Todesfall eines Konkubinatspartners, der oder die hinterbliebene Person finanziell abgesichert ist.

Sei es bei Patchworkfamilien oder Konkubinatspaaren kann das Ausgestalten eines Erbverzichtsvertrags Sinn machen, wenn Streitigkeiten innerhalb der Nachkommen vorprogrammiert sind.

=> Zweiter Frühling – die Vermischung der Vermögenswerte zweier Familien vermeiden

Wollen bereits verwitwete Personen, erneut heiraten, bietet sich ein Verzicht auf das Erbe an. Mit dieser Vereinbarung wird eine Vermischung der Vermögenswerte innerhalb der beiden Familien verhindert. Ein Ehevertrag mit einer vereinbarten Gütertrennung ist hier unzureichend. Grund: ein solcher Vertrag hebt das Erbrecht nicht auf. Nur mit einem Erbverzichtsvertrag kann sichergestellt werden, dass die Vermögenswerte innerhalb der Familie bleiben. Um so wichtiger ist es, dass die jeweilige Lebenssituation des Paares im Detail abgeklärt wird und darauf basierend, die entsprechenden Dokumente erstellt werden.

Es gibt noch einfachere Gründe auf das Erbe zu verzichten und dies vertraglich zu regeln:

Zum einen kann es sein, dass ein Erbe selbst sehr vermögend ist und zugunsten anderer, weniger begüterter Erben, auf seinen Erbteil verzichtet.

Ein weiterer Grund für einen Erbverzicht könnte ein Streit zwischen Erblasser und Erbe sein. Der pflichtteilsgeschützte Nachkomme distanziert sich vom Vermögen des Erblassers / der Erblasserin und geht auf einen Verzicht auf das Erbe zu Lebzeiten ein.

Risiken, die mit der Ausgestaltung eines Erbverzichts einhergehen

Der Erbverzichtsvertrag ist eine Übereinkunft der Vertragsparteien, die eine hohe Bindungswirkung hat. Das Risiko einer späteren Anfechtung durch die verzichtende Person ist durchaus gegeben.  Begründet wird dabei oft mit der Unkenntnis oder falschen Vorstellungen über die Höhe des Vermögens des Erblassers / der Erblasserin und damit über die Höhe des künftigen Erbteils, auf den verzichtet wurde. Es empfiehlt sich daher, in den Erbverzichtsvertragdie ausdrückliche Klausel aufzunehmen, dass der Verzicht bzw. die Höhe des vereinbarten Betrags der Abgeltung definitiv gilt ohne Rücksicht auf den aktuellen Stand des Vermögens des Erblassers und auf den künftigen Vermögensstand zum Zeitpunkt des Ablebens.

 

PlusMinus50.ch - Nachlassplanung

Die Nachlassplanung, inkl. Testament, Ehevertrag, Erbvertrag und Erbverzichtsvertrag, stellt ein komplexes Themengerüst dar.  Nebst den gesetzlichen Rahmenbedingungen müssen auch die steuertechnischen Vor- und Nachteile in Betracht gezogenwerden. Auch bedarf die Nachlassplanung eine offene und konstruktive Kommunikation, sei es mit dem Partner/ der Partnerin und innerhalb der Familie.  Es gilt sämtliche Wünsche zu dokumentieren, aber auch Auswirkungen zu analysieren und Ordnung sowie Klarheit zu verschaffen. Dieser Prozess ist nur mit der professionellen Unterstützung eines Expertenteams zu gewährleisten, das mit dem entsprechenden Wissen und Weitblick ausgestattet ist.

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Blog 09.23 | Haupt-Bildnachweis: Thema Erbverzicht von PlusMinus50.ch (Bild: W. Heidelbach auf Pixabay)

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